Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx Friedrich Engels Werke Band 42, S. 3-13. Dietz Verlag, Berlin 1983.

 

Teil 1

 

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XIV. Des Salaires[3]

 

Folgendes sind Bastiats Hauptsätze: Die Menschen streben alle nach Fixität in der Einnahme, fixed revenue[1]. {Echt französisches Beispiel: 1. Jeder Mensch will Beamter sein oder seinen Sohn zum Beamten machen (Sieh p. 37 1).} Das Salair ist eine fixe Form der Remuneration (p. 376) und daher eine sehr vervollkommnete Form der Assoziation, in deren ursprünglicher Form „das Aleatorische“ vorherrscht, sofern „tous les associés à toutes les chances de l’entreprise“[2] unterworfen sind. {Wenn das Kapital das Risiko auf seine Rechnung nimmt, fixiert sich die Remuneration der Arbeit unter dem Namen Salair. Will die Arbeit die guten und schlechten Folgen auf sich nehmen, so löst sich die Remuneration des Kapitals los und fixiert sich unter dem Namen Zins (382).} (Sieh über diese Zusammenstellung weiter p. 382, 383.) Indes wenn ursprünglich in der condition de l’ouvrier[3] das Aleatorische vorherrscht, so ist die Stabilität im Salariat noch nicht hinreichend gesichert. Es ist ein „degré intermédiaire qui sépare l’aléatoire de la stabilité“[4]. Diese letzte Stufe wird erreicht durch „épargner, aux jours de travail, de quoi satisfaire aux besoins des jours de vieillesse et de maladie“[5](p. 388). Die letzte Stufe entwickelt sich durch die „sociétés de secours mutuels“[6](l.c.) und in letzter Instanz durch „la caisse de retraite des travailleurs“[7](p. 393).[4] (Wie der Mensch vom Bedürfnis ausging, Beamter zu werden, so endet er mit der Genugtuung, eine Pension zu beziehn.)

 

ad 1. Gesetzt, alles was Bastiat über die Fixität des Salairs sagt, sei richtig. So würden wir den eigentlichen Charakter des Salairs, seine charakteristische Bestimmtheit noch nicht damit kennen, daß das Salair unter die fixed revenues subsumiert wird. Eine Beziehung desselben – die ihm mit andren Einnahmequellen gemein ist – wäre betont. Weiter nichts. Dies wäre allerdings schon etwas für den Advokaten, der die Vorzüge des Salariats plädieren will. Es wäre noch nichts für den Ökonomisten, der die Eigentümlichkeit dieses Verhältnisses in seinem ganzen Umfang verstehn will. Eine einseitige Bestimmung eines Verhältnisses, einer ökonomischen Form fixieren, sie panegyrisieren gegenüber der umgekehrten Bestimmung: diese ordinäre Advokaten- und Apologistenpraxis zeichnet den Raisonneur Bastiat aus. Also setze statt Salair:

 

<10> Fixität der Einnahme. Ist Fixität der Einnahme nicht gut? Liebt nicht jeder, auf Gewisses rechnen zu können? Speziell jeder spießbürgerliche, kleinfühlende Franzos? l’homme toujours besogneux?17 Die Leibeigenschaft ist in derselben Weise, und vielleicht mit größrem Recht, verteidigt worden. Das Umgekehrte könnte auch behauptet werden und ist behauptet worden. Setze Salair gleich Nichtfixität, i.e. Weiterkommen über einen bestimmten Punkt. Wer liebt nicht voranzukommen statt stehnzubleiben? Ist also ein Verhältnis schlecht, das  die Chancen eines bürgerlichen progressus in infinitum9 möglich macht? Bastiat selbst macht natürlich an einer andren Stelle das Salariat als Nichtfixität geltend. Wie anders als durch die Nichtfixität, durch die Schwankungen, könnte es dem Arbeiter möglich werden, aufzuhören zu arbeiten, Kapitalist zu werden, wie B. will? Also das Salariat ist gut, weil es Fixität ist; es ist gut, weil es Nichtfixität ist; es ist gut, weil es weder das eine noch das andre, aber sowohl eines wie das andre ist. Welches Verhältnis ist nicht gut, wenn es auf eine einseitige Bestimmung reduziert wird und diese als Position, nicht als Negation betrachtet wird? Alles reflektierende Hin- und Herschwatzen, alle Apologetik, alle biedermännische Sophisterei beruht auf solcher Abstraktion.

 

Nach dieser allgemeinen Vorbemerkung kommen wir zu Bastiats wirklicher Konstruktion. Nebenbei sei nur noch bemerkt, daß sein métayer10 der Landes[5], der Kerl, der nur Unglück des Lohnarbeiters mit dem Pech des kleinen Kapitalisten in sich vereinigt, in der Tat sich glücklich fühlen möchte, wenn er auf fixen Lohn gesetzt würde. – Proudhons histoire descriptive und philosophique[6] erreicht kaum die seines Gegners Bastiat. Der ursprünglichen Form der Assoziation gegenüber, worin alle associés alle Chancen des Zufalls teilen, folgt als höhere und freiwillig von beiden Seiten ||6| eingegangne Stufe der Assoziation die, worin die Remuneration des Arbeiters fixiert ist. Wir wollen hier nicht auf die Genialität aufmerksam machen, die erst auf der einen Seite einen Kapitalisten und auf der andren einen Arbeiter voraussetzt, um dann hinterher durch Verabredung zwischen beiden das Verhältnis zwischen Kapital und Lohnarbeit entstehn zu lassen.

 

Die Form der Assoziation, worin der Arbeiter allen zufälligen Chancen des Erwerbs ausgesetzt ist – worin alle Produzenten gleichmäßig diesen Chancen ausgesetzt sind – und die dem Salair, worin die Remuneration der Arbeit Fixität gewinnt, stabil wird, unmittelbar vorausgeht, als These der Antithese -ist, wie wir von B. hören, der Zustand, worin Fischerei, Jagd, Hirtenwesen die herrschenden Produktions- und Gesellschaftsformen bilden. Erst der va<11>gabondierende Fischer, Jäger, Hirt – und dann der Lohnarbeiter. Wo und wann hat sich dieser historische Übergang aus dem halbwilden Zustand in den modernen zugetragen? Höchstens im „Charivari“. In der wirklichen Geschichte geht die Lohnarbeit hervor aus der Auflösung von Sklaverei und Leibeigenschaft – oder dem Verfall des Gemeineigentums, wie bei orientalischen und slawischen Völkern – und in ihrer adäquaten epochemachenden, das ganze gesellschaftliche Dasein der Arbeit ergreifenden Form, aus [dem] Untergang der Zunftwirtschaft, des Ständewesens, der Naturalarbeit und des Naturaleinkommens, der als ländlichem Nebenzweig betriebnen Industrie, der noch feudalen kleinen Landwirtschaft etc. In allen diesen wirklich historischen Übergängen erscheint die Lohnarbeit als Auflösung, als Vernichtung von Verhältnissen, worin die Arbeit nach allen Seiten hin fixiert war, ihrem Einkommen, ihrem Inhalt, ihrer Lokalität, ihrem Umfang etc. nach. Also als Verneinung der Fixität der Arbeit und ihrer Remuneration. Der direkte Übergang von dem Fetisch des Afrikaners zum être suprême11 Voltaires oder des Jagdgeräts eines nordamerikanischen Wilden zum Kapital der Bank von England ist nicht so abgeschmackt geschichtswidrig wie der Übergang von Bastiats Fischer zum Lohnarbeiter. (In allen diesen Entwicklungen zeigt sich außerdem nichts von freiwilligen, aus wechselseitiger Übereinkunft hervorgegangnen Verändrungen.) Dieser historischen Konstruktion – worin B. seine flache Abstraktion in der Form einer Begebenheit sich vorlügt – ganz würdig ist die Synthese, worin die englischen friendly societies12 und die Sparkassen als das letzte Wort des Salariats und Aufhebung aller sozialen Antinomien erscheinen.

 

Also geschichtlich die Nichtfixität Charakter des Salariats: Gegenteil von B’s Konstruktion. Aber wie kam er überhaupt auf die Konstruktion der Fixität als der alles kompensierenden Bestimmung des Salariats? Und wie kam er dazu, das Salariat in dieser Bestimmtheit als höhre Form der Remuneration, der Remuneration der Arbeit in andren Gesellschafts- oder Assoziationsformen, historisch darstellen zu wollen?

 

Alle Ökonomen, sobald sie das gegebne Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit, von Profit und Salair besprechen und dem Arbeiter beweisen, daß er keinen Anspruch habe, an den Chancen des Gewinns teilzunehmen, ihn überhaupt über seine untergeordnete Rolle gegenüber dem Kapitalisten beruhigen wollen, heben ihm hervor, daß er im Gegensatz zum Kapitalisten eine gewisse Fixität des Einkommens, mehr oder weniger unabhängig von den großen adventures1313 des Kapitals, besitzt. Ganz wie Don Quixote den Sancho Pansa <12> tröstet, daß, wenn er zwar alle Prügel bezieht, er es auch nicht nötig hat, tapfer zu sein. Eine Bestimmung also, die die Ökonomen dem Salariat im Gegensatz zum Profit beilegen, verwandelt Bastiat in eine Bestimmung des Salariats im Gegensatz zu frühren Formen der Arbeit und als einen Fortschritt zur Remuneration der Arbeit in diesen früheren Verhältnissen. Ein Gemeinplatz, der sich in das gegebne Verhältnis stellt, der die eine Seite desselben gegen die andre vertröstet, wird von dem Herrn B. aus diesem Verhältnis herausgenommen und zur historischen Grundlage seiner Entstehung gemacht. In dem Verhältnis von Salair zu Profit, Lohnarbeit zu Kapital, sagen die Ökonomisten, kömmt dem Salair der Vorzug der Fixität zu. Die Fixität, sagt Herr Bastiat, d.h. eine der Seiten im Verhältnis von Salair zu Profit, ist der historische Entstehungsgrund des Salariats (oder kömmt dem Salair zu nicht im Gegensatz zum Profit, sondern zu den frühern Remunerationsformen der Arbeit), also auch des Profits, also des ganzen Verhältnisses. So verwandelt sich ihm unter der Hand ein Gemeinplatz über eine Seite des Verhältnisses von Salair und Profit in den historischen Grund dieses ganzen Verhältnisses. Dies geschieht, weil er beständig mit der Reflexion auf den Sozialismus behaftet ist, der überall dann als die erste Form der Assoziation geträumt wird. Dies ein Beispiel, welche wichtige Form die in den ökonomischen Entwicklungen nebenbeilaufenden apologetischen Gemeinplätze in B’s Hand annehmen.

 


||7| Zu den Ökonomen zurückzukehren. Worin besteht diese Fixität des Salairs? Ist der Lohn unveränderlich fix? Dies würde dem Gesetz von Nachfrage und Zufuhr durchaus widersprechen, der Grundlage der Lohnbestimmung. Die Schwankungen, Steigen und Fallen des Lohnes, leugnet kein Ökonom. Oder ist der Lohn unabhängig von Krisen? Oder von Maschinen, die die Lohnarbeit überflüssig machen? Oder von Teilungen der Arbeit, die sie deplacieren? Alles dies wäre heterodox zu behaupten und wird nicht behauptet. Was gemeint wird, ist, daß in einem gewissen Durchschnitt der Arbeitslohn eine ziemliche Durchschnittshöhe realisiert, d.h. das Bastiat so sehr verhaßte Minimum des Salairs für die ganze Klasse, und daß eine gewisse Durchschnittskontinuität der Arbeit stattfindet, z.B. der Lohn fortdauern kann selbst in Fällen, wo der Profit fällt oder momentan ganz verschwindet. Nun, was heißt das anders, als daß, vorausgesetzt die Lohnarbeit als die herrschende Form der Arbeit, als die Grundlage der Produktion, die Arbeiterklasse vom Lohn existiert und der einzelne Arbeiter14 im Durchschnitt die Fixität besitzt, für Lohn zu arbeiten? In andren Worte Tautologie. Wo Kapital und Lohnarbeit das herrschende Produktionsverhältnis ist, existiert durchschnittliche Kon<13>tinuität der Lohnarbeit, insofern Fixität des Lohns für den Arbeiter. Wo die Lohnarbeit existiert, existiert sie. Und dies wird von Bastiat als ihre alles kompensierende Eigenschaft angesehn. Daß ferner [in] d[em] Gesellschaftszustand, worin das Kapital entwickelt ist, die gesellschaftliche Produktion im ganzen regelmäßiger, kontinuierlicher, allseitiger – also auch die Einnahme für die in derselben beschäftigten Elemente „fixer“ –, als wo sich das Kapital, d.h. die Produktion, noch nicht auf diese Stufe entwickelt, ist eine andre Tautologie, die mit dem Begriff des Kapitals und einer auf ihm ruhenden Produktion selbst gegeben ist. In andren Worten: daß das allgemeine Dasein der Lohnarbeit eine höhere Entwicklung der Produktivkräfte voraussetzt, als in den der Lohnarbeit vorhergehenden Stufen, wer leugnet es? Und wie fiele es den Sozialisten ein, höhere Forderungen zu machen, wenn sie nicht diese höhere Entwicklung der durch die Lohnarbeit hervorgebrachten gesellschaftlichen Produktivkräfte voraussetzten? Das letztere ist vielmehr die Voraussetzung ihrer Forderungen.

 

Note. Die erste Form, worin der Arbeitslohn allgemein auftritt – der militärische Sold, der beim Untergehn der Nationalheere und Bürgermilizen erscheint. Erst werden die Bürger selbst besoldet. Dem folgt bald, daß an ihre Stelle Söldlinge treten, die aufgehört haben, Bürger zu sein.

 

2. (Es ist unmöglich, diesen Nonsense weiter zu verfolgen. We, therefore, drop Mr. Bastiat.15)



[1] festem Einkommen

[2] alle Partner allen Zufällen des Unternehmens“

[3] Stellung des Arbeiters

[4] „Zwischenstadium, welches das vom Zufall regierte von der Beständigkeit trennt“

[5] „in Tagen der Arbeit sparen, wovon im Alter und bei Krankheit die Bedürfnisse zu befriedigen sind“

[6] „Gesellschaften der gegenseitigen Hilfe“

[7] „die Pensionskasse der Arbeiter“

17 der stets bedürftige Mensch?

9 unbegrenzten Fortschritts

10 in der Handschrift: metaire

11 höchsten Wesen

12 Hilfsvereine

13 Spekulationen

14 in der Handschrift: d. einzelne Arbeit

15 Wir trennen uns deshalb von Herrn Bastiat.